Nr. 28

August Hermann Plümer

* 15.06.1871 in Enger

14.03.1931 in Enger

Eltern:

Geschwister:

Ehen

August Plümer

Zigarrenfabrik Plümer

Die Entwicklung der Zigarrenindustrie in Enger

von Wilhelm Osterwald

Quelle: www.histotrie24.de - Familienforschung und historische Nachsuchungen

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es im Ravensberger Lande eine seit mehr als 150 Jahren bestehende Leinenweberei, die als Hausindustrie betrieben wurde. Diese Industrie hatte sich entwickelt aus den kleinbäuerlichen Verhältnissen als zusätzliche Verdienstmöglichkeit für Kötter, Kleinbauern, Handwerker usw. und als Beschäftigung für saison- und witterungsbedingte freie Zeit. Der in der Gegend damals stark betriebene Anbau von Flachs brachte das erforderliche Rohmaterial, und seine Bearbeitung, in erster Linie die Verspinnung und Verwebung, gab zusätzlichen Verdienst und konnte im Hause geleistet werden mit der Möglichkeit, die Arbeit jederzeit zu unterbrechen und wieder aufzunehmen, wie Wetter und Jahreszeit es mit sich brachten.

In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts erlitt diese Industrie eine schwere Beeinträchtigung durch die Einfuhr englischer Maschinengarne, welche den Übergang von der Handarbeit zur Maschinenarbeit einleitete und die Handweberei mehr und mehr zum Erliegen brachte.

Die mit Maschinen hergestellten Garne und Gespinste waren gleichmäßiger im Faden und brachten ein feineres Gewebe als die Handarbeit liefern konnte. Es war nur natürlich, dass die Käufer die feineren Gewebe bevorzugten, die zum gleichen Preise, ja vielleicht billiger, zu kaufen waren als die handgewebten Leinenstoffe.

Die Handweber gerieten in große Not und manche von ihnen sind damals ausgewandert, weil sie keine ausreichende Existenzmöglichkeit mehr sahen. In der gleichen Zeit fiel auch die Industrialisierung anderer Gewerbezweige.

Die Zigarrenindustrie hatte sich seit ihrer Entstehung vorwiegend in den Städten Hamburg und Bremen entwickelt und war dort ansehnlicher Bedeutung gelangt. Ende der 40er Jahre dehnten sich in diesen Städten andere Industrien aus, welche der sehr lohnintensiven Zigarrenindustrie auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich Abbruch taten. Allein in Bremen verlor die Zigarrenindustrie in den Jahren 1851 - 1853 ca. 60% ihrer Gefolgschaft; sie war deshalb gezwungen , sich nach billigeren Arbeitskräften umzusehen und fand sie im Ravensberger Lande. Dort waren die Menschen durch Jahrhunderte an exakte Arbeit gewöhnt und handfertig geschickt und somit für die Zigarrenindustrie geeignet.


In Bünde war schon in den 40er Jahren eine Zigarrenfabrik als handwerklicher Familienbetrieb gegründet und es wurden dort von auswärtigen, meist Bremer Firmen, Betriebstätten eröffnet, in denen arbeitslos gewordene Spinner und Handweber lohnende Beschäftigung fanden.

Bis in die 60er Jahre sind viele Arbeiter täglich von enger nach Bünde gewandert, um in den dortigen Zigarrenfabriken zu arbeiten, bis in Enger Filialbetriebe errichtet wurden.

In den späteren Jahren wurden auch von Einheimischen Zigarrenfabriken gegründet, teils entwickelten sich solche aus schon bestehenden Tabakschneidereien.

Das Jahr 1879 hatte durch die Erhöhung des Einfuhrzolles auf Tabak von 24 auf 85 Mark je 100 kg der Industrie einen schweren Rückschlag gebracht, nachdem sie sich aus den Wirren der Gründungsjahre eben erholt hatte. Der dann langsam einsetzende Aufstieg der Firmen in Enger nahm einen stetigen Verlauf, öfter gehemmt und beunruhigt durch Kämpfe gegen geplante höhere Belastung des Tabaks. Im Jahre 1909 erfolgte aber doch eine höhere Tabakbelastung durch Einführung eines Wertzolles von 40% auf den Tabakpreis. Ein Rückschlag für die Industrie war die Folge, der aber im Rahmen einer allgemeinen Konjunktur bald überwunden wurde.

Bis zum ersten Weltkrieg war die einheimische Zigarrenindustrie zu erheblicher Bedeutung gelangt, und die in Enger vorhandenen Arbeitskräfte wurden fast restlos von einheimischen Firmen beschäftigt, die auch in der näheren und weiteren Umgebung und in Süddeutschland Betriebsstätten unterhielten.


Verarbeitet wurden in Westfalen und auch in Enger fast nur überseeische Tabake, während nach dem ersten Weltkriege auch deutsche Tabake mehr in Aufnahme kamen. Das lag daran, dass die Tabake deutschen Ursprungs durch systematische Durchführung von Düngungsversuchen des Tabakforschungsinstituts in Forchheim, welches für jeden Boden die geeigneten Düngmittel vorschrieb, durch straffe Organisation der Pflanzer in Tabakbauvereinen, durch richtige Sortenwahl für die verschiedenen Boeden, Verbesserung des Anbaues und vor allem der Pflege der Pflanzen und der geernteten Blätter, eine wesentlich bessere Qualität erreichten.

Man kann heute ohne Übertreibung sagen, dass der deutsche Tabak vielen ausländischen Sorten mindestens ebenbürtig ist. Ohne diese Verbesserung der Qualität würde die Zigarrenindustrie in den Jahren des zweiten Weltkrieges, abgeschnitten von jeder Zufuhr aus dem Auslande, nicht in der Lage gewesen sein, Zigarren in befriedigender Qualität auf den Markt zu bringen, insbesondere da die Industrie genötigt war, die früher nur aus dem Auslande bezogenen Deckblätter (Sumatra, Vorstenlanden, Brasil) durch deutsche Tabake zu ersetzen. Ein großer Engpass ergab sich beim Umblatt. Hier war es nicht zu umgehen, Kunstumblatt zu Hilfe zu nehmen. Die ersten Versuche, die oft mit unzureichendem Material und zu großen Blättern gemacht wurden, brachten starke Ablehnung seitens der Raucher, bis es auch da gelang , durch Herstellung geeigneten Materials und durch richtige Verarbeitung das Fabrikat so zu gestalten, dass das Kunstumblatt im Geschmack so wenig in Erscheinung trat, dass selbst Fachleute, wenn sie das Kunstumblatt beim Abschneiden der Zigarre nicht feststellen und sich nicht durch diese Feststellung beeinflussen lassen, einen Unterschied im Geschmack kaum wahrnehmen. Ja, man kann sagen, dass ein Kunstumblatt besser ist als ein schwerbrennendes Naturumblatt.

Die Zigarrenindustrie ist ihrem Grundcharakter nach eine mittelständische Industrie. Die meisten Betriebe haben sich aus kleinen Anfängen entwickelt und sind oft von Zigarrenarbeitern gegründet und langsam gewachsen. Besonders Ende des 19. Jahrhunderts sind auf diese Weise viele Betriebe entstanden. Damals bestand die Steuerbelastung nur aus einem Gewichtszoll auf Auslandstabak, während der deutsche Tabak keine Belastung trug. Es war deshalb kein großes Betriebskapital erforderlich. Man brauchte nur einige Formen und etwas Tabak und machte mit seinen Familienangehörigen die Zigarren. Mit Fleiß und einem guten Blick für die Güte des Tabaks und mit der nötigen Sparsamkeit ist es vielen gelungen, ihre Betrieb zu entwickeln.

Der erste Weltkrieg brachte schwere Rückschläge. Die Industrie ging mit großen Vorräten in den Krieg, die aber doch nicht ausreichten, die langen Jahre ohne erhebliche Einschränkungen durchzuhalten. Mehr und mehr musste die Herstellung gedrosselt werden und gegen Ende des Krieges war die Industrie bis auf 10% ihres Vorkriegsumsatzes zurückgegangen. Da aber in der Welt auch während des Krieges Tabak weiter angebaut wurde, sammelten sich, besonders in Niederländisch Indien, große Vorräte an, die in der Nachkriegszeit an den Markt kamen und es ermöglichten, die alte Produktionshöhe wieder zu erreichen und die Betriebe weiter auszubauen.

 

Todesanzeige

 

Die Brüder Plümer

 

Adolf Bauerfeld und Mathilde Plümer, Schwester von August Plümer